Mittwoch, 24. September 2008

Once

Once ist ein Film aus der Feder von John Carney.
Dieses Jahr ging der Oscar für den besten Filmsong an "Falling Slowly" aus eben diesem Film.
Der Film lief nicht in großen Weltbeherrscher-Kinos und gilt somit als "Independent-Film".
Der Film spielt in Dublin.
Das Budget für den Film war ausgesprochen niedrig, er wurde innerhalb von etwa zwei Wochen mit einer Handkamera gedreht und sieht stellenweise ziemlich nach Dokumentation aus.
Schon bevor der Film anlief, wurde er als "schönster Musikfilm des Jahres" (oder sogar als "einer der besten Musikfilme überhaupt") bezeichnet.

Soviel zu den Fakten.
Was genau ist jetzt also dran an Once?
Die Story liest sich wie die klassische Boy-meets-Girl-Geschichte (bloß eben mit Musik): Straßenmusiker trifft Mädchen, dem seine Songs gefallen und die - zufälligerweise - auch noch Piano spielt und singen kann. Beide musizieren zusammen, er leidet noch unter der Trennung von seiner Freundin, sie hat eine Tochter, deren Vater in Tschechien sitzt. Sie mögen sich, verbringen viel Zeit zusammen und landen schließlich nicht im Bett sondern im Studio, wo sie eine Demo-CD aufnehmen.

Klingt nicht besonders spannend. Manch einer mag sich jetzt gähnend strecken und dann mit einem Schmatzen sagen "Njaaaa, wenn die Musik gut ist bestimmt trotzdem nett zu schauen, so einmal." Manch einer mag auch sagen: "Das trieft ja vor Kitsch, ich WETTE es passiert das und das und das und am Ende sind beide glücklich. Ende."

Nein.

Mein Interesse weckte der Film durch viele positive Kritiken und begeisterte Kinobesucher. Es musste also doch mehr hinter dem Film stecken als die übliche Boy-meets-Girl-Sache. Es musste mehr hinter diesem Film stecken als nur ein schöner Soundtrack.
Und zum anderen wollte ich den Film sehen, weil er in Dublin bzw. Irland spielt (auf meiner ewigen "Da-möchte-ich-umbedingt-mal-hin"-Liste immerhin seit gut zehn Jahren auf Platz 2, nach Disneyland).

Zunächst einmal ist die Beziehung der beiden Protagonisten (die beiden bleiben auch den ganzen Film über "namenlos", nichts mit Sex-and-the-City-mäßigen "John is calling"-Anzeigen auf dem Handy...) weitaus komplizierter als es den Anschein hat.
Bis zum Ende hin weiß der Zuschauer nicht genau, was das zwischen den beiden jetzt ist. Freundschaft, Liebe, Begehren?
Immer dann, wenn in einer typischen Hollywood-Romanze ein Eimer Kitsch über der Szenerie ausgeschüttet werden würde, macht der Film genau davor halt. Er schützt den Film somit abzuflachen und die Beziehung des Straßenmusikers und des Mädchens (fast möchte man sie schon "Glen" und "Markéta" nennen, hat man doch das Gefühl, eher die beiden Schauspieler kennenzulernen als fiktive Filmcharaktere - tatsächlich sagt Glen Hansard in einem Interview, das auf der Bonus-DVD zu finden ist "Ein Freund von mir sagte, der Film erzählt die Geschichte von deiner Freundschaft mit Mar." - auch wenn der Regisseur sagt, dass die Charaktere der Figuren und die Schauspieler sich in wichtigen Punkten unterscheiden) weiter undurchsichtig zu halten.
Zudem hört der Film an der Stelle auf, an der Hollywood erst richtig loslegen würde: [Spoiler!]Er fährt zurück nach London zu seiner Exfreundin, ihr Mann kehrt zurück zu ihr und ihrem Kind - in Hollywood gäbe es dramatische Flughafen-Szenen mit Tränen, er würde in letzter Sekunde umkehren, sie (Mar) fest in seine Arme schließen und mit ihr ihre Tochter großziehen. Oder sowas in der Art. Zumindest würden beide massig Tränen über ihre Trennung vergießen. Aber die einzigen Tränen im Film (die, der Pianistin) bleiben ohne Erklärung.
Es gibt noch nichtmal eine richtige Abschiedszene und - noch bemerkenswerter für einen Film, der eigentlich als "Liebesfilm" eingeordnet wird - keinen Kuss. Nur eine Umarmung, die irgendwie viel mehr sagt, als hemmungsloses und leidenschaftliches an-den-Kleidern-Rumgezerre (oder auch "hanky-panky").
Und trotzdem bleibt der Film ein Liebesfilm - erzählt er doch von der Liebe in allen ihren Facetten, egal wie abgedroschen das Klingen mag. Liebe in Beziehungen, Liebe in Freundschaften, Liebe in der Familie, Liebe zur Musik.
Die Szene, die dem Zuschauer die Beziehung der Protagonisten am eindeutigsten erklärt, ist trotzdem noch 'verschlüsselt' :
Der Straßenmusiker fragt das Mädchen, ob sie ihren Mann liebt. Und sie antwortet auf tschechisch. Eine Sprache, die sowohl dem Musiker als auch einem großen Teil des Publikums, fremd ist. Natürlich kann man nach einer Übersetzung googlen (hab ich auch gemacht...), aber im Prinzip hat man ihre Antwort ja schon geahnt. Auf der Bonus-DVD erfährt man auch, dass die Antwort ursprünglich anders ausfallen sollte, aber dazu jetzt nichts mehr.
Manch einer mag das Ende des Filmes auch als Happy-End verstehen - aber wer bei einigen Szenen gut aufgepasst hat, weiß, dass man das nicht so eindeutig bestimmen kann.

Das ist genau das, was den Film ausmacht. Er hinterlässt keine großen Fragezeichen und lässt den Zuschauer nicht nur mit einem Fragment von Film stehen, wie es im Indie-Kino gerne gemacht wird, er spart nur hier und da an kleinen Details. Und das, obwohl man doch die ganze Zeit dabei ist. Bei der Geschichte des Straßenmusikers und der Pianistin.

Mittlerweile ist es ja auch kein Geheimnis mehr, dass Glen Hansard und Markéta Irglová, die sich bereits seit Jahren kannten, sich während der Dreharbeiten ineinander verliebten. Und auch wenn das in jedem Bericht über diesen Film erwähnt wird: Man spürt es. Es macht den Film anders. Ohne die Entwicklung der Gefühle der beiden hätte der Film den Zuschauer mit einem anderen Gefühl zurückgelassen, da bin ich mir sicher.

Alles in allem ist dieser Film, zumindest für mich, wirklich der "schönste Musikfilm des Jahres".

Spätestens, wenn er ihr ein Piano schenkt, muss jedem das Herz aufgehen. Anders geht es wohl gar nicht.

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